16.07.2020

Zweiter Frühling für Plug-In Hybride – ist diese Welle die letzte?

Wer sich nicht sicher ist, ob ein Elektroauto wirklich das richtige ist, greift gerne auf Plug-In Hybride zurück, denn diese Autos verfügen neben der Batterie auch über einen Treibstofftank. Die Diskussion, ob diese Form des Antriebs das Beste aus zwei Welten miteinander verbindet und eine sinnvolle Brückentechnologie ist oder ein fauler Kompromiss mit zu vielen Komponenten und schlechten Wirkungsgraden wird schon lange geführt.

Zweiter Frühling für Plug-In Hybride – ist diese Welle die letzte?

Ich habe in „Wieviel Reichweite braucht ein Elektroauto wirklich?“ behauptet, sie hätten ihre Berechtigung – aber nur für kurze Zeit. Warum lesen Sie hier.

Heute haben Plug-In Hybride eine elektrische Reichweite von 30 bis 70 km. Die Batterie der Plug-In Hybride lässt sich entweder extern am Stromnetz aufladen, durch Rekuperation beim Fahren oder im Generator-Modus durch den Verbrennungsmotor. Der bei dieser Autovariante oft beworbene Nutzen für die Umwelt kann jedoch nicht sichergestellt werden, denn es hängt davon ab, ob sie so oft wie möglich elektrisch fahren. In der Vergangenheit wurde sogar mehrfach berichtet, dass Leasingfahrzeuge nach drei Jahren mit dem originalverpackten Ladekabel wieder zurückgegeben wurden. Letztlich hängt es eben von den Fahrern ab, wie wirksam sie das Klima schützen – oder auch schädigen, denn der Betrieb im Verbrennungsmodus ist weniger effizient als bei konventionellen Fahrzeugen. In den Niederlanden wurden daraus Konsequenzen gezogen und deshalb schon vor drei Jahren die Förderung von Plug-In Hybriden (PHEV) wieder eingestellt.

Plug-In Hybride als Dienstwagen sind auf dem Vormarsch

In Deutschland wurden zuletzt Elektrofahrzeuge gegenüber PHEV sukzessive bessergestellt und damit verschob sich das Gleichgewicht zu Gunsten von reinen Elektrofahrzeugen von einem Faktor von PHEV zu EV von 1,2 in 2016 und 2017 hin zu dem Faktor 0,7 in 2019. In 2020 dreht sich der Trend jedoch wieder und bis einschließlich Mai wurden mehr PHEV zugelassen als EV: Faktor 1,1.

Insbesondere die Dienstwagenbesteuerung, die zum 01.01.2020 angepasst und für Elektrofahrzeuge (EV und PHEV) nochmals attraktiver gemacht wurde, begünstigt nun offenbar überproportional die Plug-In Hybrid Fahrzeuge. Ein Dienstwagen ist dabei schon lange nicht mehr nur da, um den Mitarbeitern Dienstreisen zu ermöglichen. Er ist heute vielfach ein wichtiger Baustein im Vergütungssystem und korreliert mit Position und Status. In der Regel dürfen Dienstwagen auch zu privaten Zwecken genutzt werden, was dann als geldwerter Vorteil versteuert wird.

Die Besteuerung der Plug-In Hybride beträgt nur 0,5% des Neuwagenpreises (wenn sie mindestens 40 km elektrische Reichweite haben) im Vergleich zu 1% für den geldwerten Vorteil bei Diesel- und Benzinautos. Zudem werden die Fahrzeuge mit dynamischem Fahrspaß beworben und verleihen ein gutes Gewissen. Werden neue Fahrzeuge bestellt so scheinen Plug-In Hybride aus den genannten Gründen die bevorzugte Wahl zu sein. Zwar könnten Elektroautos noch günstiger gefahren werden, da für sie nur der Steuersatz von 0,25% gilt, aber Luxuslimousinen sind davon ausgeschlossen; über 60.000 Euro Brutto-Neuwagenpreis gilt auch für sie 0,5%. Daneben ist die Verfügbarkeit einer Lademöglichkeit im Alltag noch immer ein wichtiges Kriterium. Noch bieten die meisten Arbeitgeber keine Lösung für das Laden am Arbeitsplatz und schon gar nicht zu Hause an. Status und Bequemlichkeit schlagen so dann oft noch Klimaschutz.

Wichtige Brückentechnologie für deutsche Autohersteller

Tatsächlich hat dieses Prinzip der Dienstwagenprivilegien über viele Jahre zu einem zuverlässigen Absatz von Oberklassewagen und auch SUVs geführt. 65,5% aller Neuzulassungen 2019 waren gewerblich. In diesen Klassen werden technische Neuerungen eingeführt und als Sonderausstattung extra bezahlt aber für Dienstwagen auch gerne gleich mit bestellt. Ohne diese Marktmechanismen hätten gerade Sicherheitsausstattungen wie Airbag, ESP, ABS und andere, die heute zum Standard gehören nicht flächendeckend eingeführt und damit insgesamt zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr führen können.

Leasingrückläufer sind anschließend für private Autokäufer attraktive Gebrauchtwagen mit meist überdurchschnittlich guter Ausstattung zu guten Preisen gewesen. Denn im Bestand sind 90% aller PKW in Deutschland auf private Halter angemeldet.

Die gewerblichen Neuzulassungen für Elektroautos liegen sogar bei 80%.

Neue, technische Möglichkeiten schaffen Anreize

Für die Anrechnung auf ihre EU-Flottenziele benötigen die Automobilhersteller ab 2020/2021 entsprechende Zulassungszahlen für EV und PHEV, um Strafzahlungen zu vermeiden. Nun ist auch den meisten Politikern klar geworden, dass es für die Automobilindustrie entscheidend ist, eine Vielzahl ihrer Modelle als Plug-In Hybride in den nächsten Jahren auf den Markt zu bringen und verkaufen zu können. Andererseits bleibt für die Politik der Klimaschutz ein zentrales Anliegen. Deshalb wird eine irgendwie geartete Lösung zur Maximierung des elektrischen Fahranteils mit Plug-In Hybriden wichtig, um nicht an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Allein der Geldbeutel, z. B. durch höhere Spritpreise, wird es wohl nicht richten. Vielleicht muss es sogar über Anreize hinaus gehen. Welche Möglichkeiten kommen also dafür in Frage?

Es gibt den spielerischen Ansatz, den Fahrer zu besonders sprit-effizientem und umweltfreundlichem Fahren anzuhalten. Das wird z. B. mit Hilfe eines animierten Wasserglases dargestellt, das nicht überschwappen soll. Viele Autos haben in ihren Displays Anzeigen, die einem Feedback zum eigenen „eco-drive“-Stil geben, ohne dass man den Spritverbrauch nachrechnen oder sich auf die Liter-Angabe verlassen muss. Aber mal Hand aufs Herz: Wen motiviert das wirklich?

Erste Plug-In Hybrid Modelle fuhren immer zuerst die Batterie leer bevor der Verbrenner-Antrieb zugeschaltet wurde. Das ist allerding nicht sonderlich sinnvoll, wenn man z. B. mit voller Batterie auf die Autobahn fährt und am Zielort anschließend in der Stadt gerne noch elektrisch fahren möchte. Dies wurde durch einen manuellen Eingriff für den Fahrer verbessert, der nun selbst entscheiden konnte, wann er elektrisch fahren will. Mittlerweile wird gutes Verhalten belohnt: Von BMW gibt es ein Bonuspunkte-Programm. In eDriveZones können BMW Points gesammelt und in Prämien eingetauscht werden. Zur Unterstützung werden Umweltzonen erkannt und angezeigt und der Fahrer bekommt die Aufforderung, in den elektrischen Modus zu schalten. Die Technologie dahinter nennt sich geofencing.

Denkbar wäre auch eine (frei wählbare) Intelligenz in Kombination aus Routenplanung und Energiemanagement – technisch ist das ohne weiteres möglich. Der virtuelle geografische Zaun mittels GPS-Ortung erlaubt zukünftig aber auch noch andere vorstellbare Modelle. Bereits seit Anfang des Jahres werden die Daten über Fahr-Modi und Energieverbräuche von Neufahrzeugen an die EU gemeldet und ausgewertet. Bleibt abzuwarten, was aus technischen Möglichkeiten an zumutbaren Regelungen noch umgesetzt werden wird.

Bis dahin könnte eine gute Praxis werden, einfach das Ladehemmnis beim Endnutzer weiter abzubauen und z. B. eine Wallbox mit zu liefern oder das Laden beim Arbeitgeber und in der Öffentlichkeit weiter zu vereinfachen.

Werden nun Plug-In Hybride ihre Position festigen und ihr Segment behaupten? Oder bleiben sie eine Übergangslösung und erleichtern den Einstieg ins elektrische Fahren? Kann, darf und wird elektrisches Fahren künftig erzwungen werden? Wenn Sie das näher diskutieren wollen, dann schreiben Sie mir unter: energie.schub@claudia-brasse.de oder rufen Sie mich an 02234 97912085.

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