28.05.2020

Weniger Individualverkehr ist nötig. Und möglich!

Wir haben jetzt die Chance zum Aufbruch in eine neue Mobilität – ich nenne sie Mobilität 2.1. Die Homeoffice-Phase der vergangenen Wochen hat gezeigt, dass Arbeiten von zuhause aus funktioniert. Und auch kleine Schritte haben eine große Wirkung – zum Beispiel kann ein Tag im Homeoffice pro Woche schon ein guter Anfang für weniger Individualverkehr sein.

Weniger Individualverkehr ist nötig. Und möglich!
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Im letzten Artikel habe ich beschrieben, warum es meiner Meinung nach kein Zurück zur alten Normalität geben kann, wenn wir über Verkehr und Mobilität sprechen. Vielmehr sehe ich die Chance, jetzt konsequent umzusetzen, was schon lange diskutiert und geplant wird, aber immer noch auf großen Widerstand stößt: die Elektrifizierung im Individualverkehr, eine bessere Auslastung von Fahrzeugen, eine gute Vernetzung zwischen Verkehrsmitteln, um flexible Multimodalität wirklich im Alltag leben zu können und um einen effektiven Modal Split, d.h. die Aufteilung der Wege auf die verschiedenen Verkehrsmittel, zu erreichen.

Im Moment beobachten wir, dass der öffentliche Verkehr gemieden wird, Abstandsregeln und Maskenpflicht in Bus und Bahn und die große Unsicherheit haben zu deutlichen Einbrüchen geführt: Die Angst vor Ansteckung und weiterhin weniger Mobilität haben die Fahrgastzahlen in einer Größenordnung von 70-90% einbrechen lassen. Das ist nicht nur ein wirtschaftliches Desaster; auch stellen die Abstandsregeln für die Zukunft die Betriebe und das ganze System vor große Herausforderungen.

Auto statt Bus und Bahn – der Verkehrskollaps ist vorprogrammiert

Im Moment steigen viele von Bus und Bahn um auf das Auto. Diese Verlagerung und die damit einhergehende Verschiebung im Modal Split hin zum MIV – dem motorisierten Individualverkehr – führt in absehbarer Zeit zum totalen Verkehrskollaps.

In den nächsten Monaten wird das möglicherweise noch nicht so offensichtlich werden, solange noch viele das Fahrrad nutzen, insgesamt noch viel im Homeoffice gearbeitet wird oder Wege durch Kurzarbeit und Homeschooling wegfallen. Dann nahen auch schon die Sommerferien. Aber sobald sich unser Leben wieder normalisiert und das Wetter schlechter wird, wird sich das Dilemma auf der Straße offenbaren.

Wie organisieren wir unsere individuelle Mobilität jetzt und in Zukunft? Ich steige um aufs Rad. Aber wie lange halte ich das durch? Werde ich dabeibleiben, wenn es regnet? Werde ich wieder Kunden empfangen und wie handhabe ich es dann mit dem Dresscode? Kann ich ganz am Ende womöglich mein Auto abschaffen? Vermutlich nicht. Werde ich es schaffen, alles soweit zu digitalisieren, dass ich im Prinzip ohne Aktentasche oder Materialien zur Arbeit fahre und auch abends keine Arbeit mehr mit nach Hause nehme? Oder habe ich eh alles in der Cloud und kann von überall zugreifen? Wie wäre es, wenn ich künftig öfter mal einen Homeoffice Tag einlege? Oder regelmäßig?

Im Prinzip liegt es auf der Hand: Weniger Individualverkehr wäre eine Lösung

Schauen wir uns doch diesen Verzicht auf die Wege zum Arbeitsplatz einmal genauer an. Natürlich ist das nicht für jeden möglich und viele Berufe sind nur durch Anwesenheit auszuüben. Deutschland gilt als Industriestandort, aber tatsächlich arbeiten nur 24% der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe. Fast drei Viertel erbringen Dienstleistungen, 12% zum Beispiel im Handwerk. Bereits 2018 jedoch arbeiteten 9% aller abhängig Beschäftigten mindestens einmal in der Woche von zuhause aus. Je nach Branche und Aufgabe ergibt sich da ein sehr differenziertes Bild.

Im Homeoffice Geld und Zeit sparen und einen Beitrag zum Klimaschutz leisten

Jeder zweite findet es jedoch wichtig, auch gelegentlich von zuhause aus arbeiten zu können, belegen jüngste Studien. Insgesamt gab es 2018 7,8 Millionen reine Büroarbeitsplätze, Tendenz steigend. Die durchschnittlichen Wege zur Arbeit betragen 17 km, d.h. mehr als 30 km am Tag. Wenn also von allen Büroarbeitern jeder einen Tag pro Woche von zuhause aus arbeitet und nicht mit dem Auto fährt, könnte das Verkehrsaufkommen um fast 12 Milliarden Personenkilometer gemindert werden. 20% weniger Fahrten zur Arbeit durch 17% aller Erwerbstätigen entspricht 3,5% weniger Berufsverkehr in Deutschland.

Umgerechnet in äquivalente Treibhausgasemissionen, bedeutet das bis zu 2,6 Millionen Tonnen weniger Emissionen. Dies entspräche um 2,6% reduzierte Emissionen aus dem PKW Verkehr. Dies wäre schon mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Denn: Es ist uns seit 1990 nicht gelungen, die Emissionen im Verkehr zu senken – effizientere Fahrzeugantriebe wurden durch den Trend zu größeren und schwereren Autos und die insgesamt zunehmende Fahrleistung kompensiert. Die Emissionen im Verkehr müssen jedoch um 40-42% bis 2030 gemindert werden, gemessen an dem Wert von 1990.

Für den Einzelnen wären die Einsparungen durch gesparte Treibstoffkosten noch überschaubar mit ca. 120 bis 150 Euro im Jahr, aber je nach Verkehrslage zwischen 1 und 2 Stunden gewonnene Zeit pro Woche können schon ein sehr gutes Argument sein.

Ich finde: das wäre ein sehr guter Anfang auf dem Weg zu weniger Individualverkehr.

Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie noch, den Individualverkehr zu reduzieren? Lassen Sie uns gerne darüber sprechen. Schreiben Sie mir unter: energie.schub@claudia-brasse.de, rufen Sie mich an 02234 97912085 oder kommentieren Sie diesen Artikel bei LinkedIn.

Quellen: Arbeitsmarktdaten hier und bei destatis, Studien zur Büroarbeit vom Industrieverband und Institut der deutschen Wirtschaft.

Aktuelle PKW Durchschnittsverbräuche und spezifische Emissionen aus Statista Studien und Emissionsdaten veröffentlicht das Bundesumweltministerium.

 

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